Harry Potter und der Orden des Phönix


 
Lord Voldemort (Ralph Fiennes) ist zurück! Harry Potter (Daniel Radcliffe), der als Einziger von dessen Wiedergeburt berichten kann, wird vom korrupten und machhungrigen Zaubereiminister Corelius Fudge (Robert Hardy) mundtot gemacht und als Lügner dargestellt. Schließlich will das Ministerium auch Schulrektor Dumbledore (Michael Gambon) entmachten, da dieser an Harrys Version der Geschichte glaubt, und hetzt ihm die sadistische Ministeriumsbeobachterin Dolores Umbridge (Imelda Staunton) auf den Hals. Diese gewinnt mit der Zeit die Kontrolle über die gesamte Schule und errichtet dort eine unerbittliche, beinahe schon faschistische Diktatur. Doch Umbridge ist nicht das einzige Problem, denn neben den Hormonen der pubertierenden Magier ist auch der Dunkle Lord nicht untätig. Er plant seinen erneuten Aufstieg an die Macht und quält Harry mit psychotischen Visionen. Dieser kann schon bald nicht mehr zwischen Realität und Einbildung unterscheiden und läuft blindlings in eine tödliche Falle.



Eines vorweg: Der "Orden des Phönix" ist nicht nur einer der umstrittensten und längsten Teile der Fantasy-Reihe (und einer meiner absoluten Favoriten in der Top 3 der besten Potterbände), sondern in der Filmform auch ein waghalsiges Experiment. Die Produzenten David Heyman und David Barron sind bekannt dafür, dass sie für die Potter-Verfilmungen seit jeher eher unbekannte Independentregisseure anheuerten. Dieses Mal gingen sie sogar noch einen Schritt weiter, denn für den rund 150 Millionen Dollar teuren Streifen engagierten sie den weitgehend unbekannten TV-Regisseur David Yates ("The State of Play", "Sex Traffic") für den der "Orden des Phönix" Kino- und Hollywooddebüt zugleich war. 

Ebenso wurde das Skript nun von Michael Goldenberg ("Contact", "Peter Pan") und nicht mehr von Steve Kloves geschrieben, der sich nach dem drehbuchtechnischen "Feuerkelch"-Debakel vorerst vom Potterverse verabschiedete.

David Yates – wegen seiner TV-Herkunft im Fandom von vornherein verschrien – liefte hier die wohl mutigste, beste und intelligenteste Verfilmung des Romanstoffs.

An dieser Stelle erst einmal die schlechte Nachricht für alle Buchfanatiker: Yates und Goldenberg kürzten das über 1000seitige, literarische Monster Rowlings auf das absolut Wichtigste. D.h. die gefühlten 10.000 Nebenhandlungen der Romanvorlage fehlen, doch das sorgt dafür, dass der Film in seinen rund 133 Minuten nie langweilig wird.
Wie schon in Cuaróns Verfilmung des "Gefangenen von Askaban" legte auch David Yates viel wert auf Doppeldeutigkeiten und einen gewissen Interpretationsfreiraum. Zudem beherrscht es Yates die Ironie und Düsternis von Potter einzufangen wie kaum ein zweiter Regisseur! So ist ab der ersten Minute die beklemmende Ausweglosigkeit der Vorlage fast schon physisch zu spüren. Die Bilder sind düster, ja, beinah schon farblos. Wenn sich die Farbe dann doch einmal in den Film schleicht, dann kann man davon ausgehen, dass diese auch eine hintergründige Bedeutung hat. So sticht die Figur der Dolores Umbridge von Anfang an durch ihre rosa bis pinken Kleider ins Auge. Wer den Film genau beobachtet wird bemerken, dass Umbridge immer pinker wird je mehr Macht sie gewinnt. Ist sie anfangs noch in zartes Rosa gekleidet so ätzt einem ihr greller Pinkton im Finale förmlich die Netzhaut weg! Insgesamt lässt einem Yates die Macht der Bilder in jeder Sekunde spüren – auch dank der überwältigenden Arbeit von Kameramann Slawomir Idziak ("Black Hawk Down", "King Arthur") – und überflutet den Zuschauer mit einen facettenreichen Bilderrausch. Mal ironisch, mal wunderschön, mal magisch, mal metaphorisch oder gar psychedelisch-verstörend. Ebenso im Rausch der Bilder enthalten sind Dinge, die auf den ersten Blick gar nicht so recht zu "Harry Potter" passen wollen. So wird ein Teil des Finales in intensiver, potteruntypischer, wackliger Handkameraperspektive gezeigt. Zudem ist die Kamera immer sehr nah an den Charakteren. Distanzierte Perspektiven wie in Cuaróns "Askaban"-Verfilmung werden sich dagegen kaum finden lassen. Deshalb spürt man diese Nähe auch regelrecht. Man ist einfach IN der Geschichte! Das hervorragende Spiel mit den Bildern ist einfach eine der großen Stärken des "Orden des Phönix". Doch der Film ist kein auf optische Brillanz ausgelegter Blockbuster a la "300", denn auch inhaltlich bietet sich einiges.

So wagte es Yates als erster Regisseur die Chronologie der Geschichte für die filmische Dramaturgie weitgehend zu verändern. Wichtige Ereignisse finden jetzt nicht nur in einem anderen, zeitlichen Rahmen statt, sondern auch die Gewichtung der Figuren verläuft einwenig anders. David Yates – im Übrigen, bekennender Potterianer – sieht den Film nicht als Geschichte für sich selbst, sondern als Einheit eines größeren Ganzen. So werden nicht nur in Harrys Alptraumsequenzen immer wieder Szenen aus vergangenen Verfilmungen verwendet, um den Gesamtbezug herzustellen, sondern die Wichtigkeit der zu sehenden Figuren mit ihrer endgültigen Bedeutsamkeit in den Büchern in Einklang gebracht. Neville-Fans wird’s freuen. 

Auch hat Yates "Harry Potter" als das erkannt, was es ist: Nicht nur eine unterhaltsame Fantasy-Geschichte, sondern durchaus Stoff mit aktueller, sozial-politischer Brisanz. Ähnlich wie im Roman wandert z.b. die Darstellung des Zaubereiministeriums zwischen gehässiger Politsatire und kritischer Auseinandersetzung mit der Einschränkung persönlicher Freiheiten zur Erhaltung der vermeintlichen Sicherheit. 
Ebenfalls ungewöhnlich ist Yates’ Umgang mit der Musik in seinem Film. Diese wird von ihm überwiegend subtil eingesetzt und im finalen Kampf Dumbledore versus Lord Voldemort fehlt sie gar völlig! Ein gewagtes Experiment. Wo in den Vorgängern noch das Orchester lärmte herrscht hier völlige Ruhe. Das sorgt dafür, dass der Kampf zwischen den beiden, großen Erzmagiern eine unglaubliche Intensität gewinnt, die den Zuschauer förmlich in den Kinosessel drückt.

Der "Orden des Phönix" hat seine Genialität aber nicht bloß David Yates zu verdanken, sondern auch dem großartigen Cast. Die wichtigsten Neuzugänge sind dabei Imelda Staunton und Helena Bonham Carter ("Fight Club", "Sweeney Todd"). Staunton spielt ihre Dolores Umbridge als bösartigen Drachen, der sich im pinken Zuckerguss versteckt. Der subtile Sadismus der Figur und ihre phänomenale Darstellung dieser hinterhältigen, nach Macht strebenden Bürokratin garantieren dabei, dass man Umbridge hier ebenso bedingungslos hassen kann wie in der Romanvorlage. 

Helena Bonham Carter hingegen gibt der Figur der wahnsinnigen Bellatrix Lestrange ein ebenso irres Debüt. Fanatisch und geisteskrank ist Bellatrix und Carter schafft es auf beeindruckende Weise in nur wenigen Szenen dieses Gestörte wahrhaftig werden zu lassen.


Auch nicht verachten ist die Entwicklung der Jungdarsteller: Gerade Daniel Radcliffe entfaltet ein ungeahntes Potential. Es sind vor allem Harrys düstere Augenblicke, die er genial herüber bringt. Ganz zu schweigen von der Besessenheitsszene in der sich Harry unter Krämpfen gegen Voldemorts Geist wehrt sind absoluter Wahnsinn! Und es beweist: Daniel Radcliffe ist ein absolut begnadeter Schauspieler, wenn man ihn denn nur spielen lässt!
Evanna Lynch, die im Film in die Rolle von Luna Lovegood schlüpft, spielt ebenfalls überzeugend. Ob man die verträumte, manchmal reichlich schrullige Luna nun mag ist da wohl Geschmackssache, doch Lynch bringt ihre Figur einfach herrlich rüber.

Und nun komme ich zu einem der besten Darsteller des ganzen Films, der in einigen Szenen dem restlichen Cast beinah die Show stielt: Alan Rickman! Wie er hier seinen verkrampften und cholerischen Severus Snape spielt ist ein wahrer Traum. Vor allem die Dynamik zwischen Rickman und Radcliffe sorgt für offene Münder. Die Luft ist voller spürbarer Aggressivität, wenn Harry und Snape während des Okklumentikunterrichts aufeinander treffen. Es ist eine der wohl emotionalsten Höhepunkte in der gesamten Reihe, wenn Harry sich während seiner aufgezwungenen Übungsstunden schließlich gegen seinen verhassten Zaubertranklehrer zur Wehr setzt.

"Wir sind jetzt seit Stunden hier! Ich brauche eine Pause!"
"Der Dunkle Lord ruht sich auch nicht aus!" Snape versperrt Harry den Weg. "Sie sind genau wie ihr Vater! Arrogant! Faul!"
"Mein Vater war ein großer Mann!", widerspricht Harry und Snape packt ihn wütend am Kragen und schleudert ihn auf einen Stuhl.
"IHR VATER WAR EIN SCHWEIN!"


Eine schlichtweg grandiose Szene.
Das Productiondesign und die Effekte des Films sind ebenso großartig, wie der Rest.

Stuart Craigs Setdesign erreicht zudem im "Orden des Phönix" einen erneuten Höhepunkt. Vor allem das Set des Zaubereiministeriums ist einfach nur überwältigend.

Zudem gibt es gute Nachrichten für alle, die das Design der Todesser im "Feuerkelch" grauenvoll fanden. Die trashigen Kuk-Klux-Klan-Imitate weichen hier einer düsteren und edlen, viktorianischen Variante, die mysteriös und beängstigend zugleich wirkt.

Die Effektmagier von ILM zaubern grandiose CGI-Bilder auf die Leinwand. Zudem gibt es hier das erste Mal auch Schauplätze, wie den Raum der Prophezeiungen, die zu 100 Prozent per Computer generiert sind. Überwältigend ist, dass CGI-Kreaturen wie die Thestrale unglaublich Lebensecht erscheinen und der Film hier auf den Spuren von Gollum wandert. Einzig dem Riesen Grawp sieht man dann doch seine Künstlichkeit an. Davon abgesehen erwartet einem hier CGI vom feinsten.

Auch der Score von Yates' Stammkomponist Nicholas Hooper setzt Akzente. Er kopiert nicht einfach Williams oder Doyle, sondern erschafft einen sehr eigenständigen, wunderschönen Soundtrack mit Gänsehautgarantie.

"Harry Potter und der Orden des Phönix" ist DER Potterfilm auf den man über Jahre hinweg vergeblich gewartet hat! Eine absolut geniale Verfilmung eines als unverfilmbar geltenden Romans, der optisch wie inhaltlich eine wahre Wundertüte ist!

Da freut es natürlich, dass David Yates auch die Verfilmungen von "Harry Potter und der Halbblutprinz" (Kinostart: 17.07.2009) und "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" (der als Zweiteiler gedreht wird) übernehmen wird!

Danke, David, du bist der Größte!
10/10 Monstern in Pink