Mass Effect



Im 22. Jahrhundertentdeckt die Menschheit bei Pluto eines der sogenannten Massenportale, die Reisen quer durch die Galaxis ermöglichen. Keine 30 Jahre später bühlt die Allianz der Menschen im galaktischen Rat um Aufmerksamkeit. Da kommt es gerade Recht, dass der Rat den Allianz-Commander Shepard in den Rang eines Spectre, eines unabhängigen kämpfers im Dienste des Rates, ernennen will. Doch steht die Charmeoffensive der Menschheit unter keinem guten Stern, denn schon auf seiner ersten Mission läuft alles schief und Shephard muss nicht nur beweisen, dass er es wert ist ein Spectre zu sein, sondern nebenbei auch noch die Galaxis retten.
 
Das kanadische Studio für Traditionsrollenspiele BioWare ("Baldur's Gate") hat mit "Mass Effect" sich nicht nur auf Pfade abseits der bekannten Fantasywege gewagt, sondern gleichzeitig auch noch eines der wohl faszinierendsten Rollenspieluniversen überhaupt geschaffen. Denn es gilt nicht nur böse Mächte zu besiegen, sondern vor allem auch gegen die Hürden der intergalaktischen Politik zu bestehen. Letzteres macht dabei sogar den größeren Reiz aus, auch weil alle Entscheidungen mehr oder weniger heftig auf Shephard zurückfallen können. Daneben gilt es Liebesbeziehungen zu führen (wenn man will), Ausrüstung zu warten und mit einem Mondfahrzeug über fremde Planeten zu düsen. Letzteres spielt sich eher wie ein Flummi auf Rädern als wie ein Fahrzeug. Schuld daran ist die absolut dämliche Fahrphysik des Vehikels, dass jede Bodenwelle zur Sprungorgie macht. 

Von der gesamten bisherigen Trilogie (Teil 4 ist in Arbeit, soll aber nur lose an die ursprünglichen Spiele angelehnt sein) ist der Erstling aber nach wie vor mein Liebster. Das liegt nicht zuletzt an der Story und dem Bösewicht, den man hier noch richtig schön hassen und lieben kann. Spielerisch sind die Nachfolger zwar deutlich ausgereifter, doch in Sachen Erzählung können die einfach nicht mithalten. Es gibt einfach so viele mitreisende Szenen im Spiel, die ich hier gar nicht verraten will, aber auch viele kleine Details, die das Spiel und das Universum darin einfach liebenswert machen. Etwa die pöbelnde Repoterin, die einem in jedem Teil der Reihe begegnet und die man entweder diplomatisch beschwichtigen oder ganz unseriös, aber irgendwie auch befriedigend niederschlagen kann in Anbetracht ihrer sensationslüsternen, penetranten Fragen. Oder die Entscheidung, ob man sich an der menschlichen Xenophobie gegenüber anderen Alienrassen beteiligt oder doch lieber den interstellaren Vermittler spielt. Insgesamt ist das Thema des offenen Rassismus gegenüber anderen Alienrassen sehr präsent. Nicht nur die Menschen nörgeln dabei immerzu rum, sie würden nicht ernst genommen, sondern auch anderen Völker, die eher unwichtig erscheinen. Da ist es dem Spieler überlassen ins xenophobe Horn zu stoßen (und im Extremfall eine menschliche Rassistenpartei mit einer Wahlempfehlung zu unterstützen) oder den ewigen Alienhassern den kopf zu waschen. 

Insgesamt lässt das Spiel sehr viel Freiraum, wenn es darum geht den Charakter zu gestalten. Schade nur, dass das alles fast keine Auswirkungen auf das Ende der Hauptstory hat. Zwar gibt es immer wieder kritische Entscheidungen zu treffen, die wirken sich auch in hinblick auf den Rest der Serie jedoch nicht radikal aus. Selbst wenn man bei dem Streit um die Richtigkeit des Genozids an den Kroganern (einer sehr kampflustigen Echsenrasse) seinen Begleiter Wrex erschießt hat das keine fundamentalen Auswirkungen. Da fehlte den Entwicklern letztendlich wohl die Konsequenz, dass schlechte oder bösartige Entscheidungen auch wirklich furchtbare Konsequenzen nach sich ziehen. Was scahde ist, denn so ist es fast schon egal, ob ich als hinterhältiger Erpresser und Schlächter herumlaufe oder als edler Held im dienste des Universums, das Endergebnis beeinflusst das nur in Details. 

Trotzdem ist "Mass Effect" ein tolles Spiel in das man sich regelrecht verlieren kann, auch wenn es für BioWare-Rollenspielverhältnisse relativ kurz ist. (Die Hauptkampagne lässt sich in zwei Tagen komplett abschließen, wenn man das will.) Mann denke nur an die 200-Stunden mögliche Spielzeit in "Baldur's Gate 2".  
Für mich bleibt das Spiel erzählerisch das beste Rollenspiel der letzten Jahre, insbesondere wenn man die in der Story eher verkorksten Nachfolger betrachtet. Dazu aber später mehr. ;)

9,5/10 Flummis