"Metro 2033" von Dmitry Glukhovsky



Die Welt wurde durch einen verheerenden Atomkrieg völlig verwüstet. Die Überlebenden sind in den Untergrund der Moskauer Metro geflüchtet und haben dort bereits viele Jahrzehnte ihres Lebens verbracht. Sie sind daher extrem überempfindlich gegen Licht geworden, weshalb sie nur nachts und in Schutzanzüge gekleidet die Oberfläche betreten können. Bei Tag würde das Sonnenlicht sie erblinden lassen und völlig verbrennen, da durch die Atomschläge die Erdatmosphäre völlig zerstört wurde. Zudem ist die Oberfläche ein unwirtlicher Ort aus Asche, Ruinen und allerhand mutierten und sonderbaren Kreaturen, die jagt auf die Menschen machen.

Im unterirdischen Reich der Metro und ihrer Stationen haben sich innerhalb weniger Jahrzehnte verschiedenartige, gesellschaftliche Strukturen gebildet: Faschismus und Kommunismus haben überlebt, ebenso wie die revolutionären Ideen Che Guevaras - auch, wenn die Unterweltmenschen von diesen Dingen nur aus Büchern erfahren haben und sie oft gar nicht so recht verstehen. Hinzu kommen religiöse Sekten, Satanisten und Kannibalen.


Während ein Teil der Menschen völlig verwildert und sich "Zahn um Zahn und Auge um Auge" durch die Tiefen der Metro schlägt so haben andere Teile einen versucht ihre Zivilisation zu erhalten: Sie schicken Stalker (so eine Art Schatzsucher) an die Oberfläche um Munition, Treibstoff oder Bücher aus der Alten Welt, dem verlorenen Paradies, zu bergen.


Den wahren Verlauf des Atomkrieges können nur noch wenige erzählen und noch weniger können sich an die Sterne und den freien Himmel über ihren Köpfen erinnern. Schließlich war die Metro schon immer da. Und die Metro mit ihren zahlreichen Stationen, gewundenen Tunneln und tödlichen Gefahren birgt finstere Geheimnisse.

In dieser postapokalyptischen wird der junge Artjom auf eine Reise quer durch die Metro geschickt: Denn seine Heimatstation, die Station der "Errungenschaften der Volkswirtschaft", ist in großer Gefahr. Aus den Tunneln, die zur Oberfläsche führen werden die Bewohner immerzu von den "Schwarzen" angegriffen; mysteriösen Kreaturen, die die Menschen nicht physisch verletzen, sondern auch ihren Verstand zersetzen.


Auf seiner Odyssee quer durch die Tiefen der Metro begegnet Artjom allerhand sonderbaren Gestalten, wie dem Philosophen Khan, der sich für die letzte Reikernation von Dshingis Khan hält. Doch die Metro ist ein harter, unerbittlicher Ort, in dem nur der Stärkere überlebt. Und so wird Artjoms Reise zu einer Bewährungsprobe für den jungen, naiven Metrobewohner, der unter der straffen Hand seines Adoptivvaters immer vom Rest der Metro fern gehalten wurde. Und so gerät der Held von einem Irrweg zum nächsten, entgeht immer wieder knapp dem Tod durch Folter, Kanniblismus und dem allgemeinen Misstrauen.
Das eigentliche Ziel dieser Reise ist bis zum Schluss unklar und überrascht mit einem nachdenklichen und fiesen Cliffhanger.

"Metro 2033" ist Glukhovskys Debütrom und was für ein Debüt das ist! Während der Klapptext zunächst Endzeit-Monstersplatter vermuten lässt entwickelt sich das Buch schlussendlich in eine völlig andere Richtung. Die Reise Artjoms dient dabei als Momentaufnahme und Sozialstudie einer Gesellschaft, die alles verloren hat und ihrer Umwelt mehr denn je mit Misstrauen und Hass entgegen tritt. Dabei klammern sich die Metrobewohner wie im Todeskampfan die alten Ideologien und führen erneut ihre tödlichen Zwiste, um Rassismus, Macht und Geld. (Letzteres wird in der Metro durch Kalaschnikowpatronen ersetzt.)
Glukhovsky baut die Spannung dabei sehr subtil auf und erschlägt den Leser im ersten Kapitel zunächst förmlich mit Beschreibungen und Erklärungen über die neue Gesellschaft im Untergrund und ihren Fraktionen. Wer sich Namen (und russische Zungenbrecher) nicht besonders gut merken kann hat hier eindeutige Nachteile.


"Metro 2033" lebt jedoch hauptsächlich von seiner düsteren Atmosphäre und der nachdenklichen Philosophie, die der Menschheit für ihre Sturheit und Aggressivität zum Schluss beinahe das Genick bricht. Denn der Mensch - insbesondere der Mtrobewohner - versucht stehts alles mit der "Auslschung äußerer Feinde" zu beenden. So entpuppen sich auf den letzten Seiten die mysteriösen Schwarzen als alles andere als Böse, doch zu spät! Die Überlebenden haben die mörderische, militärische Spirale der unaufhaltsamen Gewaltätigkeit bereits in Gang gesetzt.

Zwar könnte man Glukhovsky jetzt vorhalten er habe das Buch mit seinen über 760 Seiten aufgebläht und hätte die Geschichte doch eigentlich viel kürzer und knackiger erzählen können. Ebenso wie die Tatsache, dass es kaum Figuren gibt, die Artjom länger als ein paar Kapitel überleben und allesamt kaum charakerisiert sind. Doch die Metro ist ein finsterer Ort, in dem es immer nur um das pure Überleben geht. Der Tod ist an jeder Ecke allgegenwärtig und so sind auch die Figuren abgestumpft und misstrauisch. Liebe? Menschliche Dramen? Das alles scheint zwar in der Metro zu existieren, doch für Mitgefühl bleibt meist kein Platz - außer in der Nebenhandlung um den alten, herzkranken Universitätsprofessor und seinem geisteskranken Enkel -, denn die Menschen haben den tod über ihre Welt gebracht und tun nun alles dafür auch die Welt unter der Erde noch mehr zu verstümmeln.


So gewinnt das Buch jedoch auch einen verstörenden Knackpunkt, denn blutig wird es nur selten - und dann auch nur auf einem realistischen, angemessenen Niveau. Der wahre Horror der Metro entfaltet sich in ihrer beklemmenden Enge, der "Tunnelangst", der Finsternis, der Verwilderung des Menschen und der völligen Absenz von Menschlichkeit. Normalität ausgeschlossen.

"Metro 2033" merkt man dennoch die großen Vorbilder an. Die Gebrüder Strugazki ("Picknick am Wegesrand") ebenso wie der Spielebestseller "S.T.A.L.K.E.R." und die Werke Sergej Lukianenkos. Dennoch kopiert Glukhovsky seine Vorbilder rnicht plump, sondern lässt sie mit Liebe in seine phantastische Erzählweise einfließen. Denn der Autor schafft es so zu schreiben, dass man, als Artjom z.b. das erste Mal den Himmel sieht, völlig überzeugt ist die Sterne ebenfalls noch nie selbst gesehen zu haben. Die Metro erweckt in Glukhovskys direkten, aber auch gleichzeitig wundervollen Stil zum Leben und spürt sie am Ende selt: Die Tunnelangst, die verzerrten Laute sterbender Kreaturen, die der Tunnel heran trägt, die schweren Bewegungen unter dem Schutzanzug, die beklemmde Enge der Metro und der permanente Wahnsinn, den diese tote Welt verbreitet.

Seit dem Ende der Potter-Saga habe ich mich auf kaum ein Buch so gefreut, wie auf dieses! Und das Warten hat sich gelohnt!
"Metro 2033" hat schon jetzt Kultstatus! Unbedingt Empfehlenswert!

10/10 Kremltürmen