Death In June





Death in June gehört wohl zu den umstrittensten Bands, die die Schwarze Szene je hervorgebracht hat. Die Geschichte von DiJ ist dabei vor allem auch eine Geschichte der Extreme.
Gegründet wurde das provokante Neofolk-Projekt von Douglas Pearce, dem ehemaligen Frontmann der trotzkistischen Punkband CRISIS. Bei DiJ tauschte Pearce Irokesen gegen Millimeter-Igel, Nietenjacke gegen Tarnuniform, Anarchiesymbolik gegen SS-Abzeichen. Was war geschehen? Ist aus dem bekennenden homosexuellen Punkrocker ein astreiner Neonazi geworden? So scheint es auf den ersten, flüchtigen Blick.


Zum Zerfall seiner Band CRISIS kam es insbesondere durch die Vereinnahmung linker Organisationen auf Rock-against-Nazi-Konzerten in Großbritannien Anfang der 80er. Pearce hat in Interviews immer wieder geäußert, dass ihn diese Vereinnahmung belastete und er "dämliche Glatzen, die Nazirock hören nicht als echte Bedrohung für die Gesellschaft sehe". Nach dem Zerfall von CRISIS äußerte sich Pearcy nie wieder über die politische Ausrichtung seiner Band. DiJ schwebte somit im Vakuum zwischen linken und rechten Rand der schwarzen Szene und galt der Antifa lange Jahre lang als das Hassobjekt schlechthin, wovon er sich jedoch nur wenig beeindrucken ließ. Auch ein Aufruf von namenhaften Bands wie Das Ich während des Wave-Gothic-Treffens 2000 das Konzert von DiJ zu boykottieren ignorierte Pearce und warf seinen Musikerkollegen schließlich Polemik vor. Etwas das bei vielen Goths und Leipzigern (und oft beides in Kombination) in Anbetracht des DiJ-Fanblocks der in deutschen Tarnuniformen durch die Stadt marschierte und daher eher an die alljährlichen Naziaufmärsche als an Gothics erinnerte auf wenig Verständnis stieß.
Sozusagen sprechen alle Beweise gegen Pearce; Uniformen, nordische Runen, matialisches Auftreten mit Helm und Sturmmaske zum Konzert, Lieder über Zusammenhalt und Stärke und dennoch ... dennoch stimmt etwas im scheinbar entlarvenden Bildnis nicht. Würde ein echter Nazi die regenbogenfarbene Fahne der Schwulenbewegung auf der Bühne hängen haben? Und würde dieser Nazi nachdem ein Skinhead diese ihm von der Bühne reisst das Konzert abbrechen und nicht mehr öffentlich auftreten?


Die Frage lautet für mich weniger, ob sich Douglas Pearce und Death in June wirklich als neonazistische Band innerhalb des schwarzen Spektrums verstehen oder ob sie gezielt negativ vorbelastete symboliken verwendeten, um zu schockieren. Das haben schon andere vor ihnen getan. Selbst die Sex Pistols sind einmal mit NS-Armbinde aufgetreten. Und prinzipiell spielt die Schwarze Szene sehr gern mit faschistoiden Symboliken, um deren erotische Anziehungskraft zum schonungslosen entlarven zu nutzen. So wie es schon Laibach in Slowenien und deren direkte Nachfolgerband in Deutschland, Ramms+ein, oft getan haben.


Wenn man die Texte von DiJ anhört bemerkt man unwiderruflich, dass diese sich nicht klar positionieren. Wörter wie Holocaust werden in ihrem ursprünglichen Kontext der Erneuerung benutzt. Andererseits hat sich Douglas Pearce nie zu den Vorwürfen geäußert - vermutlich um ein vereinnahmendes Fiasko wie damals bei CRISIS zu vermeiden -, anders als etwa Laibach oder Ramms+ein, die den Neonazismus immer offen parodiert und entlarvt haben. Vielleicht macht dieses Nicht-Wissen auch einen großen Teil der Faszination an der Musik von DiJ aus. Denn eines geht aus den zahlreichen Mitschnitten der DiJ-Konzerte auf YouTube unweigerlich hervor. Pearce versteht es diese Symboliken zu nutzen und so eine martialische Atmosphäre zu erzeugen, die erdrückend, fast schon schmerzhaft ist. In etwa vergleichbar mit den legendären Laibach-auftritten aus den 80ern. Auftritte, die nicht unbedingt dazu gedacht sind das Publikum zum Tanzen zu bringen.


Am Ende lässt sich über Death in june nur sagen, dass man nichts darüber sagen kann außer, dass sich jeder seine eigene Meinung zu Douglas Pearce und DiJ bilden sollte.