"FUTU.RE" von Dmitry Glukhovsky



Im 25. Jahrhundert ist Europa hoffnungslos überbevölkert seitdem die Menschen die Unsterblichkeit durch genetische Manipulation erlangt haben. Jeder Bürger hat das Recht auf Unsterblichkeit, doch ist Fortpflanzung strengstens verboten. Wer dennoch Kinder bekommt wird vor eine perfide Wahl gestellt: Entweder man tötet sich oder das Kind mit dem Altersvirus, dem sogenannten Ax. Alternde Menschen und die Kinder werden ausgestoßen und in KZs zusammengepfercht, denn Tod und Fortpflanzung sind per Gesetz verboten. Im immerjungen, uralten Europa wurde der Tod abgeschafft und nur das Gesetz der Wahl bestimmt wer die Unsterblichkeit verdient hat.

Der aktuelle Wälzer von Kultautor Dmitry Glukhovsky (immerhin ca. 950 Seiten, zum Vergleich; "Metro 2033" hatte nicht einmal die Hälfte) beschreibt eine Dystopie, die ihre Wurzeln ganz klar im heutigen Europa hat. Es geht um Flüchtlingsströme aus Afrika, die wie Tiere behandelt werden, um das "barbarische Russland", dass man in Europa nur aus dem Fernsehen kennt und um ein unmenschliches System, dass Menschen in winzige Wohnsektionen steckt, wo sie mit Psychopharmaka vollgepumpt werden, um ihre sinnlose Unsterblichkeit überhaupt zu ertragen, während Rund um die Uhr das Mantra von Demokratie und Humanität heruntergeleiert wird. 

"Futu.Re" ist eine Auseinandersetzung mit dem heutigen Europa auf Basis eines, düsteren, zukünftigen Europas, wo es zwar Menschenrecht ist unsterblich zu sein, aber jedwede Form von Menschlichkeit hinter ewiger Jugend und Kunststoff verrottet. Dreh und Angelpunk ist dabei die Hauptfigur Jan Nachtigall, ein Mitglied eines Spezialkommandos namen "die Unsterblichen", dass illegale Kinder und deren Eltern aufspürt. Gezüchtet wird das Kommando perfider Weise aus den Kindern, die man zuvor ins KZ geschickt hat. Ihnen wird eingetrichtert, dass ihre Eltern Verbrecher höchsten Grades sind und dass sie deshalb niemals Lieben dürfen. Als Jan auf eine Mission geschickt wird, um den Anführer der Partei des Lebens auszuschalten (die das Gesetz der Wahl abschaffen wollen) gerät alles aus dem Ruder und Jan zwischen die Mühlen der Mahlsteine, die er bedingunslos und fanatisch beschützen sollte. 

Wie schon "Sumerki" ist auch "Futu.Re" völlig anders als "Metro 2033", weshalb ein Vergleich sich erübrigt. Auch wenn der Heyne Verlag es schon wieder nicht lassen konnte so zu werben. Nein, das Buch ist das Psychogramm eines Mannes, der stellvertretend für eine kranke Gesellschaft steht. Dabei spielt ganz besonders der Aspekt von Fortpflanzung und Sexualität eine große Rolle, da aufgrund des Verbotes und der Unsterblichkeit die fleischlichen Gelüste der Menschen um so stärker um sich schlagen. Entsprechend viele Sexszenen gibt es im Buch. Diese wirken jedoch fast nie aufgesetzt. Bis auf ein paar Stellen vielleicht, aber das ist nach meiner Lesart wohl auch Absicht, denn in einer Welt ohne Kinder ist die Liebe ebenso auf dem absteigenden Ast. 

"Futu.Re" ist ein zutiefst bedrückendes Buch. Ich zumindest musste es schon das eine oder andere Mal weglegen, weil die Unmenschlichkeit des Systems zu allgegenwärtig wurde. Intensiv ist das Erlebnis mit diesem Buch allerdings allemale gewesen. Ich habe es innerhalb einer Woche regelrecht verschlungen. Glukhovsky schafft es einmal mehr in eine Dystopie zu entführen, die sich gewaschen hat. Während in "Metro 2033" alles dreckig und finster war ist hier alles auf hochglanz poliert und doch schrecklich. Am ehesten vergleichbar ist "Futu.Re" vielleicht als umgedrehte Variante von "Children of Men" von P.D. James oder mit dem Film "Gattaca". 

Insgesamt beweißt Glukhovsky aber einmal mehr, was für ein großartiger Autor er ist. "Futu.Re" reiht sich so ein in seine vorherigen Bücher, die ebenso meisterhaft waren. Er ist einfach einer der besten Sci-Fi-Autoren, die man zur Zeit lesen kann. Unbedingte Empfehlung!

10/10 Unsterbliche