So, wie es sich gehört habe ich das Spiel jetzt dank meines Freundes Noritomo doch
gespielt. Meine Erwartungen waren die eines EA-geknechteten
Verfilmungsspielers: Mittelmäßig bis Unterirdisch.
Und da Electronic
Arts in Sachen Verspielungen ja schließlich einen Ruf zu verlieren hat
wurden die Erwartungen vollkommen erfüllt.
Wo soll ich da bloß
anfangen? Es gab so vieles, was mich als Potterfan geärgert hat und
einiges an verschenktem Potential, was mich als Zocker noch viel mehr
geärgert hat!
Handlungsfrikasee a la Carte!
An dieser
Stelle sei erwähnt, wer Buch oder Film nicht kennt hat keine Chance die
Hintergrundgeschichte zu verstehen. Zwar wurde die Story in den
Potterspielen schon immer sträflichst zerpflückt, doch noch nie so sehr
wie hier! Mittelprächtige, schlecht synchronisierte Rendervideos sollen
dabei fragmenthaft das Darstellen, was in Buch und Film einst Plot
genannt wurde. Da rettet man erst Dudley vor den Dementoren und PENG!
ist man auch schon im Grimmauldplatz. Erklärungen? Gründe? Eventuelle
plottechnische Einzelheiten? Fehlanzeige! Und so zieht sich die
Storyzerschnipsellung wie ein Frikasee für Ungarische Hornschwänze durch
das ganze Spiel!
Nervkröten im Potterverse!
Charaktertechnisch
ist auch nicht viel los, denn man spielt Harry und Harry und Harry,
dazwischen mal Fred und George beim Autopiloten-Besenflug durch das
Treppenhaus von Hogwarts und am Ende Dumbledore im Finale gegen
Voldemort. Wobei die beiden Oberzauberer so tolle Sätze reißen wie "Das
Gute wird siegen!" (Dumbledore) oder "Du wirst schwach, alter Mann!"
(Voldemort) - und das alle 5 Minuten!
Ach ja, und wo wir gerade bei
nervtötenden Kommentaren sind: Die wandelnde Bibliothek, Hermine
Granger, bläht sich im Spielverlauf zur Nervkröte allererster Güte auf,
die selbst beinah einen Jar-Jar Binks in den Schatten stellt. Sobald man
nähmlich während der Mitgliederssuche für die DA Dean Thomas anspricht
und ihm bei der Wasserspeier-Aufgabe hilft plärrt Mrs Granger im
Minutentakt: "Und denk dran, Harry, wir MÜSSEN ALLE WASSERSPEIER FÜR
PROFESSOR BINNS SUCHEN!"
Da wünscht man sich fast, dass Lord
Voldemort den Magierkrieg gewinnt, um solche Nervensägen ein für alle
Mal zum Schweigen zu bringen.
Wahrhaftig: "Das war der Overkill!"
Quest: "Lauf dir einen Wolf!"
Das
Spiel lebt hauptsächlich davon, dass man Hogwarts erkunden kann und
Punkte sammelt, indem man die Einrichtung von Hogwarts repariert! Ja,
ihr habt schon richtig gelesen! Denn der Hausmeister von Hogwarts heißt
seit neustem nicht mehr Argus Filch, sondern Harry Potter! Dabei sieht
es in Hogwarts aus, als habe man die finale Schlacht aus Band 7
vorverlegt! Aber was tut man nicht alles, um die Welt vom Bösen zu
befreien? Also gehts an Teppische ausklopfen, Vasen zusammenzaubern,
Rüstungen zusammenpflicken, Bilder wieder aufhängen und und und und ...
Selbst die Storyaufgaben blähen sich in die Unendlichkeit, weil man
ständig von einem Ende des Schlosses zum anderen Laufen muss - ohne die
Karte des Rumtreibers, die einem den Weg zeigt, wäre das ganze eine noch
größere Zumutung, denn rund 70-80% der Spielzeit vertreibt man sich mit
laufen, laufen, laufen und noch mehr laufen, um am Ende wieder
irgendwohin zu laufen!
Hinzu kommt Quälgeist Nr. 2: Die Maulende
Myrthe, die einem Levelaufsteige anzeigt bzw. durch ewiges "Harry, du
süßer!"-Gequassel in den Wahnsinn treibt.
Okay, wenn schon die
Schüler nichts sinnvolles für Superhero Harry zutun haben, dann doch
wenigstens die Lehrer, oder? Jene Lehrer, die ihre Klassenzimmertüren
immer bewachen, als würden sie dahinter Osama Bin Laden himself
verstecken - na ja, oder zumindest das Atomwaffenprogramm des Irans!
Aber
auch die Lehrer schicken einen mit Hausaufgaben laufen, laufen, laufen,
laufen! Wenn man dann das begehrte Objekt oder die Information bei den
Lektoren Flitwick, Sprout, McGonagall und Snape abgibt darf man
sinnleeren Unterricht machen. Und da Magier nix, aber wirklich überhaupt
nix mit den Händen anfassen können werden im Zaubertrankunterricht auch
gleich mal ganze Flachen plus Inhalt in den Kesell geworfen! Kein
Wunder, dass Harry bei mir nie über ein "T" wie "Troll" hinaus kommt.
Da
bleibt wohl nur noch aus lauter, spielerischer Verzweiflung sich in den
Slytherin-Kerker zu schleichen und Professor Snape auf die Palme zu
bringen!
Steuerungsfiasko
Die Steuerung (PC-Version) ist
in etwa so unnachgiebig wie Lord Voldemort beim geliebten Genozid! Die
Kamera will filmreif sein, doch zeigt sie nie das, was man sehen muss.
Ergo torkelt Harry immer durch die Flure, als habe er wieder heimlich 5
Flaschen Feuerwiskey im Eberkopf verdrückt! Die Zauberstab-Zielerfassung
funktioniert ebensowenig, weil er nie das anvisiert, was man braucht.
Und wo wir gerade bei Zauberstäben sind ... Kennt hier irgendjemand
nicht den Unterschied zwischen einer PC-Maus und einem Wii-Kontroller?
Ist ja schön und gut, diese Idee vom Zauber-Malen, aber eine Maus IST
eben kein Wii-kontroller und entsprecht "toll" steuert sich auch der
Zauberstab.
Dann doch lieber eine M16 - ja ja, ich weiß altmodisch, aber wenigstens funktioniert die!
Schwierigkeitsgrad? Welcher Schwierigkeitsgrad?
Als sei das alles nicht genug kommt nun das Non-Plus-Ultra!
Egal,
was sie tun, sie gewinnen immer! Wenn man Duelle auf den Schulhof
verliert, Lehrer angreift oder via Wingadium Leviosa
Einrichtungsgegenstände nach Schülern wirft - nichts davon hat
Auswirkungen! Selbst in Story-Duellen wie der Kampf mit Sirius Black vs.
Lucius Malfoy oder Dumbledore vs. Voldemort kommt dieses Prinzip zum
tragen. Als Sirius muss man sterben und Dumbledore ist ohnehin
unkaputtbar! Ein Schildzauber im richtigen Moment und schon wars das mit
dem Dunklen Lord. (Okay, was erwartet man von einem Bösewicht, der es
schafft sich 2x hintereinander selbst totzublitzen? )
Also bleibt mir nicht viel mehr, als noch einwenig zu Putzen und zu laufen, laufen, laufen, laufen ...
3/10 untötbaren Harrys