"Persepolis" von Marjane Satrapi



Wir schreiben das Jahr 1978. In teheran protestieren Intellektuelle und Arbeiter gegen den Schah und vertreiben ihn aus seinem Amt. Doch der Sieg verwandelt sich schnell in eine Niederlage als die islamischen Fundamentalisten an die Macht kommen. Marjane Satrapi ist damals 10 Jahre alt. Ihre Familie gehört zu jenen liberalen, intelektuellen Linken, die in jenen Jahren gegen den Schah auf die Straße gehen. Während der Bürgerkrieg tobt spielt sie vom umstürtzlerischen Eifer ergriffen mit ihren Freunden im Garten Revolution. Gleichzeitig verschwinden Angehörige in den Foltergefängnissen des Schahs, nichts ahnend dass in den gleichen Gefängnissen rund 2 Jahre später jeder verschwinden soll, der der Revolutionsgarde in die Hände fällt. Schön früh rebelliert das Mädschen gegen die Kulturrevolution. Legt widerwillig den Schleier an, hört Punkrock und liest Karl Marx. Doch die rebellion bleibt stets geprägt von der Furcht vor der Revolutionsgarde, die jagt auf Partygänger, Liberale und alle, die sich der Scharia nicht beugen wollen macht.


Satrapi erzählt dabei von einem Iran, den wir im westen nie zu Gesicht bekommen. Von einer Gesellschaft, die trotz Scharia, trotz Kulturrevolution einfach versucht so zu leben wie sie es für richtig halten. Einer Gesellschaft, die nach außen hin radikal-islamisch ist und gegen Israel und den Rest der Welt hetzt. Nicht nur weil Marjane Satrapi völlig genervt ist von den Klischees und Hassbildern, die hierzulande vom Iran kursieren, sondern auch weil sie den Menschen ihre Kultur näher bringen will. Eine Kultur, die sich seit Jahrhunderten im Kampf mit den arabischen Nachbarn befindet und deshalb nur schwer zur Ruhe kommt. Dabei erklärt sie auch immer wieder ausschweifend warum Iraner Perser sind und keine Araber - und warum die Iraner so stolz darauf sind Perser zu sein. Und warum die persischen Frauen trotz Scharia, trotz Kopftuch, trotz Patriachiat verdammt viel Selbstachtung besitzen. 

 
Doch nie macht sie einen Bogen um die Gewalt in ihrem Land. Und diese kommt umso erschütternder rüber, weil der Zeichenstil in fast schon kindlich-naiven Schwarz-Weiß gehalten ist. Und hält dabei den religiösen Fanatikern in ihrem Land den entlarvenden Spiegel vor. Denn vielerorts ist die Schariagläubigkeit dann doch nur Mitläufertum, um nicht selbst ins Fadenkreuz zu geraten. Der Spiegel einer stets nach Freiheit und Unabhängigkeit strebenden Gesellschaft, die sich aus immer wieder unschönen Verwicklungen heraus jedoch nicht aus dem Teufelskreislauf der Gewalt zu befreien vermag.

Persepolis ist ein Comic den man unbedingt lesen sollte. Auch oder gerade wegen der antimorgenländischen Stimmung, die sich seit den Anschlägen vom 11. September in unseren Breitengraden überall niederschlägt.

10/10 Kulturrevolutionen