"Gaming & Hate Speech" - Eine Brochüre der Amadeu Antonio Stiftung



Neulich haben mich einige Nerds auf die Brochüre der Amadeu Antonio Stiftung aufmerktsam gemacht: "Gaming & Hate Speech - Videospiele aus zivilgesellschaftlicher Sicht"

Da ich seit ca. 22 Jahren begeisterter Gamer bin gehörte es quasi zur Berufsehre nachzulesen und was soll ich sagen? Nicht nur das Internet ist für einige noch #Neuland.
 

Erster Teil: Serious Games  

Hier fängt der Ärger schon an, dass die werten Wissenschaftler nicht in der Lage sind Genres und verschiedene Medien auseinander zu halten. Serious Games, Lernspiele, Apps - für die Herren Soziologen alles das Selbe. Hinzu kommt, dass man sich auf einen pädagogischen Diskurs einschwänkt wie in den 90ern und dabei das ganze Potential des Themas völlig ignoriert. 
Was ist mit wichtigen Spielen wie "This War of Mine" oder "Villiant Hearts"? Für die werten Wissenschaftler offenbar gar nicht existent, dafür schwafelt man über Seiten hinweg von Pädagogikprogrammen. Das verletzt nicht nur jede Spielerehre, sondern ist auch Meilenweit vom Diskurs des Spielejournalismus der letzten 10 Jahre entfernt. 

Zweiter Teil: Gender in Spielen

Über diesen Teil habe ich mich wohl mit am meisten geärgert. Auch weil hier schlicht und einfach Unwahrheiten verbreitet werden. 
Aufhänger ist die "GamersGate"-Affäre und wird als Grund benutzt alle männlichen Spieler als Tittengeile Monster darzustellen und alle weiblichen Spieler als arme Opfer, die permanent in Chats von Onlinespielen virtuell angegrabscht werden.
Natürlich ist auch klar, dass das Frauenbild in Videospielen besonders böse ist. Zum Glück gibt es ja keine Frauenverachtung in Filmen, Büchern oder - oh Schreck! - der Realität. 

Das Frauenbild in Videospielen ist nicht wesentlich anders als in Hollywod oder großen Bestsellern. Nur, dass ich unter Umständen die Wahl habe mich dem zu entziehen indem ich z.b. einen Mann spiele. Funfact am Rande: Ca. 80% beider Geschlechter spielen in z.b. Rollenspielen immer das entgegengesetzte Geschlecht. 

Prinzipiell sagt dieser Teil mehr über das Frauenbild der Autoren aus als über das der Spieler und Designer. Frauen sind demnach immer Opfer und wenn eine Frau sich vielleicht auch übertrieben oder nicht geschelchtsspezifisch darstellen möchte, dann ist das krank und böse. 

Zudem wird behauptet, dass es Homosexualität und Gender in Spielen nicht gäbe. Wer in den letzten 10 Jahren nicht alles verschlafen hat, der dürfte da eher verwundert die Augenbrauen heben. Bestes Beispiel sind die BioWare-Rollenspiele. Hetero, Homo, Bi, alles drin. In einem DLC zum Remaster von Baldurs Gate gab es sogar eine Transbeziehung.

Zunehmend kommt eben die Frage auf, wann und vor allem ob sich die Autoren der Brochüre je wirklich mit dem Thema beschäftigt haben.


Teil 3: Rassismus

Ich war doch sehr belustigt welche Spiele als Kronzeugen für fiesen Rechtsextremismus und Rassismus in Spielen herhalten mussten.

GTA - eine ausgewiesene, übertriebene Satire auf den US-Gansterfilm und ausgerechnet BioShock, ebenfalls nicht frei von Ironie und Gesellschaftskritik. 

Dabei fällt wie im Rest der Brochüre auf, dass man sich den Spielen nie in ihrem Kontext nährt - vermutlich hat man auch keines davon je gespielt -, sondern wilde Behauptungen um sich wirft und mit kontextlosen Screenshots untermauert, um noch mal zu zeigen wie verkommen das alles ist.

Da fehlt nur noch, dass man Call of Duty heranzieht, um sich über Nationalismus aufzuregen. Als nächstes stellt man vermutlich auch noch ganz empirisch fest, dass Wasser nass ist. 

Ich schreibe ja auch keine Artikel über Antikriegsfilme und ziehe dann Michael Bay Actioner heran, um zu beweisen, dass es sowas nicht gibt und Film und Fernsehen total verkommen sind.  


Teil 3: Gewalt und Jugendschutz

Des Soziologen liebstes Thema darf natürlich auch nicht fehlen. Besonders witzig ist es ja, dass man dazu ausgerechnet die USK und Bundeszentrale für Verbraucherschutz bemühte - Letztere war auch Förderer des ganzen Nonsens. 

Dabei wird vor allem das wiederholt, was man aus jahrzehntelanger "Killerspiel-Debatte" schon kennt und beiden meisten Journalisten und Gamern nur noch ein genervtes augenrollen hervorruft. 

Ebenfalls lustig, dass am Ende noch ein eigener Abschnitt pragt, dass man doch überhaupt keine vorurteile hege und alles ganz wissenschaftlich angegangen habe - davon merkt der geneigte Leser nur leider gar nichts!





Prinzipiell fällt an der ganzen Brochüre auf, dass man zwar gerne empirische Daten bemüht, es mit Recherche allgemein aber nicht wirklich hatte. Dabei ist das meiste davon frei im Internet erhältlich. Man hätte auch einfach mal ein bisschen Lesen können. Z.b. Artikel der WASD, die GameStar als Deutschlands größtes Spielefachmagazin oder den sehr guten YouTube-Blog Games & Politics. Überall finden sich große Artikelreihen und Diskurse zu den Themen der Brochüre. Und anders als die Autoren in ihren Vorurteilen glauben gibt es da einen durchaus lebendigen Diskurs unter Spielern und Journalisten. Wir sind nämlich keine stupiden Zombies, die man schön deutsch erstmal pädagogisieren und maßregeln muss.