Half-Life



In der geheimen Forschungseinrichtung Black Mesa bricht die Hölle los nachdem ein Experiment schief läuft. Aliens aus einer Paralellwelt landen im Komplex und meucheln die Wissenschaftler. Und als sei das nicht genug schickt das Militär ein "Säuberungskommando", dessen Befehl lautet alles und jeden umzubringen, der mit dem Experiment etwas zutun hatte.
Die Chancen stehen also schlecht für den recht verschwiegenen Forschungsassistenten Gordon Freeman, doch der rückt bloß die Hornbrille zurecht und greift zu Schutzanzug und Brechstange, um die Krise mehr oder weniger brachial zu lösen.

1998 revolutionierten "Half-Life" und "Unreal" das Ego-Shooter-Genre. Während "Unreal" die damaligen technischen Möglichkeiten auf völlig neue Weise nutzte machte sich "Half-Life" an die Eingeweide des Genres. Denn nach diesem Spiel sollten Shooter nie wieder so sein wie früher.


So legte "Half-Life" den Beweis ab, dass auch Ego-Shooter durchaus in der Lage sind gute, durchdachte und vor allem spannende Geschichten zu erzählen. Das Spiel war zwar schon vor 11 Jahren nicht auf dem neusten Stand der Technik, doch sorgen die damals erstmals für die große, dramaturgische Nähe zur Geschichte genutzen "Scripted-Events" für jede menge Atmosphäre. Da werden Wissenschaftler in Lüftungsschächte gezogen, Räume stürzen ein, Monster und Soldaten tauchen plötzlich auf und der mysteriöse G-Man (ein Regierungsagent in Anzug und mit Aktenkoffer) taucht immer dann in unserem Blickfeld auf, wenn wir ihn eigentlich gar nicht erwarten. Doch trotz allem nimmt sich "Half-Life" bei weitem nicht so ernst, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die Selbstironie schwingt dabei ab den ersten Spielminuten mit. Sei es das fast schon karrikierte Aussehen und Auftreten der drei Story-Parteien (Wissenschaftler, Soldaten und Aliens) oder einfach nur die Handlung an sich. Das fängt schon im berühmten Opening des Spiels an, in dem Freeman mit der unterirdischen Transitbahn zu seiner Arbeitsstätte fährt und währenddessen die freundliche Stationsdurchsage predigt wie schön und angenehm die Arbeit in Black Mesa doch sei und zusätzlich noch einige Sicherheitstipps gibt.
(Und apropos Zug: Der ist das übliche Transportmittel im Spiel, um von einem Ende Black Mesas zum anderen zu kommen.)

Diese unterschwellige Selbstironie findet sich auch in den Anweisungen der Wissenschaftler, wenn ein Kollege z.b. direkt nach dem verpfuchten Experiment ganz erstaunt feststellt: "Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal eine Resonanzkaskade erleben würde und schon gar nicht, dass ich selbst eine auslöse!" Oder die Herren Professoren etwas überfordert fragen: "Erinnern Sie sich noch an irgendeine dieser Notfall-Standart-Prozeduren?" Ebenso, wenn die Wissenschaftler allen Aliens zum trotz dann dennoch welche einfangen und fasziniert ihre mutierten Kollegen studieren. Und von denen gibt's in Black Mesa mehr als genug. 
Spielerisch überraschte "Half-Life" auch durch seinen hohen Anteil an Adventure- und Jump-'n-Run-Elementen. So müssen oft Geschicklichkeitsaufgaben gemeistert werden (Stichwort: Xen) und auch komplexe Rätsel gelöst. So etwa beim Bossgegner im Raketensilo; einem riesigem, dreiköpfigen Wurm. Um weiter zu kommen muss man diesen via Raketenantrieb schmoren lassen. Bis es soweit ist muss das Triebwerk jedoch erstmal aufgetankt und mit Strom versorgt werden.
An einer anderen Stelle muss man sich per riesigen Rotor in einen höher gelegenen Abschnitt transportieren lassen. Die Schwierigkeit dabei; der Motor für den Windkanal ist genau unter dem Rotor. Wenn das Timing nicht stimmt endet man als zerhechselter Wissenschaftler. Und apropos Timing: Im Abschnitt "Der Industriekomplex" muss man sich durch die Müllverarbeitungsanlagen von Black Mesa arbeiten und über Förderbänder hüpfen, durch Walzen, Stampfen und Hechsler balancieren und schließlich in einem Haifischkäfig gegen ein Unterseemonster kämpfen. 
Kurz gesagt: An Abwechslung mangelt es in "Half-Life" zu keiner Minute!

Ebenfalls revolutionär war das KI-Sytem des Spiels, welches vor allem in den Kämpfen mit menschlichen Gegnern (in der Deutschen Version wurden aus den Soldaten Roboter, was teils dann doch etwas bizarr anmutet) zum tragen kam. So sind viele der KI-Routinen, die "Half-Life" etablierte noch heute in vielen Shootern zu finden: Gegner laufen etwa vor geworfenen Granaten weg, gehen in Deckung, raufen sich zu Trupps zusammen, die sich wiederrum aufteilen und versuchen den Spieler einzukreisen.

Dass "Half-Life" zum Kultspiel avancierte hat also allerhand Gründe: wegen des neuartigen Spielprinzips, aber vorrangig auch wegen Kultfiguren wie Gordon Freeman, dem G-Man, der Brechstange, der berühmten Headcrap, die so manchem Spieler in Lüftungsschächten zur Verzweiflung gebracht hat und ja genau; wegen des Zuges!

10/10 Brechstangen im Dauereinsatz