District 9


Vor 20 Jahren sind Aliens, die aufgrund ihrer insektoiden Gestalt von den Menschen abfällig als „Shrimps“ betitelt werden, auf der Erde gestrandet. Ihr Raumschiff schweb seitdem über Johannisburg City in Südafrika. Die Aliens wurden von der Regierung in einem Slum namens „District 9“ untergebracht. Von der Außenwelt abgeschottet, von der privaten Sicherheitsfirma MNU überwacht und von nigerianischen Warlords kontrolliert bis die Shrimps in das Lager „District 10“ umgesiedelt werden sollen.
Leiter der Operation ist MNU-Agent Wiskus Van De Merwe (Sharlto Copley), der zunächst mit Rassismus und Brutalität gegen die Aliens vorgeht bis dieser durch eine mysteriöse Flüssigkeit selbst zum Shrimp mutiert und der einzige Ort an dem er noch sicher ist District 9 ist.

Es gab wohl in den letzten Jahren kaum einen Film, der mit so wenig Promotion auskam und so ein Überraschungshit wurde. Auf vielen Festivals gespielt und gelobt (u.a. auch auf dem Fantasy Filmfestival) zog der Film seine Vorabaufmerksamkeit hauptsächlich aus dem Trailer mit seinem "Peter Jackson presents" und einigen Viral-Clips.

Allerdings produzierte Jackson nur. Der wahre Herr hinter der Kamera hieß Neill Bloomkamp. Und meine Güte, was ist das für ein Debüt! Ein ganz großes, so viel sei verraten!

Neill Bloomkamp („Living in Joburg“) bringt die moderne Sci-Fi endlich wieder dorthin wo sie ursprünglich hergekommen ist – zurück zur Gesellschaftskritik.
Eine durchaus willkommene Abwechslung zu dem in den letzten Jahren doch stark von Krawall und Effekthascherei dominierten Genre. Denn obwohl Peter Jackson („Der Herr der Ringe“) als Produzent tätig war und dessen Firma WETA Effekte und Productiondesign übernahmen ist „District 9“ meilenweit von  Sci-Fi-Actionblockbustern a la „Transformers“ entfernt.
Bloomkamp gehört zu einer neuen und innovativen Generation von Filmemachern und lässt das in jeder Minute seines erfrischenden und mutigen Geheimtipps durchblicken. So wird ein großer Teil des Films als Pseudo-Doku erzählt. Nicht ohne Grund, denn „District 9“ ist gleichzeitig auch die Spielfilmversion seines Kurzfilms „Living in Joburg“, der das Leben von Außerirdischen in den Slums von Johannisburg schilderte. Der dokumentarische Stil wird teilweise nur unterbrochen, um Wiskus‘ Weg durch die Slums in eindringlicher von Interviews durchsetzter Handkameraoptik zu schildern. Dessen Figur im übrigen einer der klügsten Schachzüge der Autoren war. Statt eines muskelbepackten Rambos wird hier ein von Vorurteilen nur so überquellender Schreibtischtäter zum unfreiwilligen Helden der auf der Erde gestrandeten Fremdlinge. Aber mehr möchte ich über die Handlung an dieser Stelle nicht verraten, denn diese ist nicht nur äußerst Wendungsreich, sondern zeigt auch auf bedrückend realitische Weise auf, dass wir, die kaum miteinander auskommen schon gar nicht in der Lage wären mit Wesen umzugehen, deren Unterschied zu uns äußerlich und gesellschaftlich nicht größer sein konnte.
„District 9“ ist ein mutiger und visionärer Film, der die Sci-Fi endlich wieder zu ihren Wurzeln zurückgebracht hat.

"District 9" ist hauptsächlich Gesellschaftskritik pur. Im Grunde lässt man nicht viel Gutes an der Lebensform Mensch. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass der Film unterhalten will - und das tut er ausgesprochen gut. Wer ein Sci-Fi-Schindlers-Liste erwartet, der sollte seine Erwartungen wohl besser etwas zurück schrauben.

Dennoch fehlt es "District 9" nicht an Drastischkeit. Die Gewaltsequenzen sind sehr zeigefreudig und kratzen Stellenweise schon herb an der verhängten FSK16. Allerdings ist es kein Film, der allein durch Gewalt schocken will, denn unter der Sci-Fi-Oberfläche schlummert ein großartiges Pladoyer für mehr Menschlichkeit und gegen Rassismus.

Die schauspilerischen Leistungen der Akteure sind durchweg gut. Ganz besonders, die der Aliens. Besonders zu loben ist Peter Jacksons Effektschmiede WETA Workshop, die bereits für den "Herr der Ringe" wirklich geniales Make-Up lieferte. Das ist hier nicht anders. Die Shrimps sehen tatsächlich lebensecht aus und weniger wie die durchgeknallten Glibberaliens, die man sonst so aus dem Alieninvasionsgenre kennt.

Der einzige Kritikpunkt meinerseits liegt nicht am Film, sondern der FSK: Hier werden Aliens wie Menschen von Laserwaffen zerbröselt und das Blut spitzt wahrlich nicht zu knapp. Von den wirklich beeindruckend ekligen Szenen in der MNU-Forschungsanlage gar nicht erst zu reden. Eine FSK 18 wäre in jedem Fall angebrachter gewesen.

Alles in allem blieb die von so manchem Cineasten herausfbeschworene Genre-Revolution wohl aus, doch "District 9" hat die Sci-Fi auf einen alten Pfad zurück gebracht, der scheinbar schon vor Jahrzehnten verloren zu sein schien.

Und vielleicht, ja, vielleicht animiert Blommkamps Debütfilm auch andere endlich wieder dazu mehr Mut in ihre Filme zu packen.

Mr Bloomkamp ich ziehe auf jeden Fall meinen Hut vor ihnen. Ein großartiger Film!

10/10 Shrimps